Ozonanwendung in der Parodontologie – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (2024)

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In der menschlichen Mundhöhle gibt es im Wesentlichen zwei Infektionserkrankungen: Karies und die Parodontitis. Während die Karies eine spezifische, auf einen exogenen Leitkeim bezogene Infektion ist, handelt es sich bei der Parodontitis um eine kommensale Mischinfektion obligater Mundhöhlenflorakeime.

Jenseits des 30. Lebensjahres liegt die Prävalenz der Parodontitis bei immerhin 80 Prozent der Bevölkerung. Davon werden laut den Abrechnungszahlen der KZVen lediglich circa drei bis fünf Prozent einer systematischen Therapie zugeführt. Als Infektionserkrankung ist die Parodontitis begleitet von systemischen Auswirkungen und Einflüssen, über deren Kenntnis wir wohl erst am Anfang stehen. Die „Awareness“ (Aufmerksamkeit) der Öffentlichkeit ist zwischenzeitlich erstaunlich hoch. So schreibt das Magazin Focus in seiner jüngsten Ausgabe unter dem Titelthema „Richtige Ernährung verhindert Herzinfarkt, Rheuma, Diabetes und Demenz“, ich zitiere: Die Medizin entdeckt Entzündungen als wichtige Zwischenstation vielerlei Übels. Dieses gemeinsame Krankheitsprinzip könnte erklären, warum Diabetiker vermehrt an Arthrose leiden … und bei Personen mit Parodontitis die Arteriosklerosegefahr steigt.

Die Bedeutung der systemischen Sicht nimmt jedenfalls adäquat zu. Der Zahnverlust selbst, als finale Konsequenz unbehandelter Parodontitis, steht eher am Ende der medizinischen Wichtigkeitsskala. Vor diesem Hintergrund kommt einer konkludenten, antiinfektiösen Parodontitistherapie eine zunehmende Bedeutung in der Medizin zu.

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Ozonanwendung in der Parodontologie – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (2) Abb. 1a: Unter Zuhilfenahme eines doppelseitigen Silikonabdrucklöffels ist es nun erstmals möglich, innerhalb weniger Minuten sämtliche Parodontien in einem einzigen Arbeitsgang zu desinfizieren.

Ozonanwendung in der Parodontologie – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (3) Abb. 1b: Unter Zuhilfenahme eines doppelseitigen Silikonabdrucklöffels ist es nun erstmals möglich, innerhalb weniger Minuten sämtliche Parodontien in einem einzigen Arbeitsgang zu desinfizieren.

Ozonanwendung in der Parodontologie – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (4) Abb. 2: Eine Full-Mouth-Disinfection Therapie über 15 Minuten.

Ozonanwendung in der Parodontologie – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (5) Abb. 3: Ergebnis der 15-minütigen Behandlung nach einem Monat.

Ozonanwendung in der Parodontologie – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (6) Abb. 4: Dr. Frank Beck

Therapiekonzept

Das Therapiekonzept lässt sich zunächst außerordentlich einfach definieren: Therapiere antiinfektiös, entferne sämtliche lokale Reize möglichst perfekt, reduziere die Keimbelastung. So simpel dieses Ziel erscheinen mag, es stellt eine wirkliche Herausforderung dar. Die konservative Parodontitistherapie, die Depuration subgingival, erfolgt ohne Sichtzugang, sozusagen auf Gefühl mit sehr eingeschränkter instrumenteller Unterstützung. Nach wie vor steht die mechanische Bearbeitung im Vordergrund. Ziel der antiinfektiösen Therapie ist eine möglichst bakteriell saubere Wurzeloberfläche bis zu den Sharpey‘schen Fasern ohne jede hartstoffliche Auflagerungen (Konkremente) zu hinterlassen. Im Rahmen dieser Dekontaminationstherapie kommt es selbstverständlich zu einer Flutung mit Oralpathogenen und durch die nicht vermeidbare mechanische Verletzung periparodontaler Weichgewebsstrukturen zur Infiltration ins Gewebe.

Full-Mouth-Disinfection mit Tri-Sauerstoff

Die medizinische Anwendung von Tri-Sauerstoff (medizinisches Ozon) in der Mundhöhle wird in der Literatur im Wesentlichen für zwei Indikationsbereiche angegeben. Während in der Kariologie systematische Reviews darauf hinweisen, dass keine gesicherte Evidenz vorliegt, gibt es in der Frage der keimreduzierenden Wirkung, insbesondere bei neueren Applikationstechniken deutliche Wirksamkeitshinweise, wenngleich dazu keine systematische Review existiert. So konnten unter anderem Nagayoshi (2004), Fargell (2008), Baysan (2000) und Brauner (1992) nachweisen, dass Ozon eine bakterizide Wirkung auf orale Pathogene hat. Hickel (2009) konnte zeigen, dass gasförmiges, konzentriertes Ozon effektiv gegen Mikroorganismen in einem Biofilmmodell wirkt, was auch von einigen der Vorgenannten bestätigt wurde.

Die Daten sprechen folglich dafür, dass man innerhalb der Mundhöhle in der Lage ist, die bakterielle Belastung herunterzufahren und damit den Körper in seiner eigenen Immunantwort zu unterstützen. Zurück zur antiinfektiösen Parodontitistherapie. Nach Abschluss der mechanisch-pharmakologischen Initialtherapie (Depuration) führen wir eine systematische Keimreduktion mit Tri-Sauerstoff durch. Während es in der Vergangenheit zeitaufwendig war, mit den vorliegenden apparativen Möglichkeiten (Glas-Elektrode) sämtliche Parodontien mit Tri-Sauerstoff zu durchfluten, hat die Firma MIO int. OZONYTRON GmbH mit dem OzonytronXP/OZ eine ebenso effektive wie ergonomisch-wirtschaftliche Novellierung auf den Markt gebracht. Unter Zuhilfenahme eines doppelseitigen Silikonabdrucklöffels ist es möglich, innerhalb weniger Minuten sämtliche Parodontien in einem einzigen Arbeitsgang zu desinfizieren.

Mittels dieser Technik appliziere ich über eine Zeit von zwölf Minuten unter der Schutzatmosphäre des oben abgebildeten Löffels aus Weichpolymer (Full-Mouth-Tray) den hochkonzentrierten Tri-Sauerstoff am Ende der Sitzungen für die antiinfektiöse Parodontitistherapie. Damit ist die antiinfektiöse Parodontitistherapie (auch konservative Therapiephase) abgeschlossen. Nochmals möchte ich die hohe medizinische Bedeutung dieser Therapiephase in der gesamten Parodontaltherapie hervorheben. Sie hat den originär medizinischen Stellenwert.

Im Laufe der nächsten vier bis sechs Wochen reagiert das Immunsystem auf die angebotene Therapie. Nach Abschluss der antiinfektiösen Therapiephase wird der Patient in die Erhaltungstherapie überführt. In Abhängigkeit vom Schweregrad der parodontalen Infektion und Destruktion wird der Recallabstand abgestimmt, er beträgt zwischen einem Monat und als langfristiges Therapieziel ein Jahr.

Die therapeutische Relevanz der Erhaltungstherapie ist elementar

Aus diesem Grund muss die Recallsitzung parodontal erkrankter Patienten nach internationalen Richtlinien wie folgt aussehen:

1. Befunderhebung
Es müssen obligat Sondierungstiefen und BOP unter kontrollierten Bedingungen erhoben werden. Kontrolliert bedeutet: Sondierung reproduzierbar mit 20Ncm Druck. Nur dadurch lässt sich der BOP reproduzierbar messen.

2. Biofilmentfernung
Neben der Wertung der Diagnostik kommt der konkludenten Entfernung des subgingivalen Biofilms eine entscheidende Bedeutung zu. Wir wissen heute, dass der Biofilm der Ausgang jeder parodontalen Pathogenese ist.

3. Desinfektion und Keimreduktion
Unter vorgenanntem Aspekt der regelmäßigen Desinfektion und Keimreduktion hat sich in unserer Praxis die routinemäßige Applikation der Full-Mouth-Desinfection mit von Tri-Sauerstoff unter einer Schutzatmosphäre,bei Patienten mit einer Parodontitishistorie etabliert.

Therapie chronischer Parodontien

Mit dieser Systematik sind Sie in der Lage, chronisch erkrankte Parodontitis-patienten erfolgreich zu therapieren.
In der Regel sind weiterführende Therapiemaßnahmen, speziell chirurgische, bei diesen Patienten dann nicht obligat notwendig.

Therapie aggressiver Parodontitiden

Das Dilemma bei aggressiven Parodontitiden ist die Therapieresistenz bzw. rasche Rekurrenz. Es ist verständlich, dass bei einer inkompetenten immunologischen Systemvoraussetzung der Umgang mit den oralpathogenen Keimen im subgingivalen Milieu unzureichend ist. Diese systemische Reaktionslage ist in Art und Umfang genetisch determiniert. Deswegen ist – solange sich an der Immunkompetenz nichts ändert, wobei sich diese über die Lebensabschnitte hinweg erfahrungsgemäß verändern kann – die einzige Therapie, die wir anbieten können, durch konkludente, regelmäßige Keimreduktion das Voranschreiten der parodontalen Destruktion so gering als möglich zuhalten.

Schlussbetrachtung

Mit der systematischen Applikation von hochkonzentriertem Tri-Sauerstoff (Ozon) unter der Schutzatmosphäre innerhalb des abgebildeten doppelseitigen Löffels ist ein sehr nützliches Tool gegeben, überall dort adjuvant einzugreifen, wo die Bakterienmenge noch immer ein immunologisches Reaktionsproblem aufwirft. Die Applikation ist therapiebegleitend, aber auch prophylaktisch nicht nur sinnvoll, sie ist oftmals die einzige Möglichkeit, bei regelmäßiger Prophylaxe auf Dauer Zähne und Zahnfleisch gesund zu erhalten.

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